NLP basiert auf Modeling. Es ist durch das Modeling von Fritz Perls, Virginia Satir, Milton Erickson und anderer entstanden. Modeling bildet die Grundlage und zugleich die vielfach behauptete und selten genutzte Kernkompetenz des NLP. Hierzu trugen und tragen auch Unsicherheiten und Kontroversen zu seiner Durchführung bei, die besonders in der sogenannten Modeling-Debatte sichtbar wurden, nachdem John Grinder sein Verständnis 2001, also rund dreißig Jahre nach den ersten Modelings aus denen NLP entstand, in Whispering in the Wind darstellte.1 Da die Gründer sich nicht äußerten, hatten zu diesem Zeitpunkt insbesondere Leslie Cameron-Bandler, Robert Dilts und Steve Andreas das Vakuum gefüllt und Orientierungspunkte gesetzt, zunächst seit Anfang der 1980er Jahre Leslie Cameron-Bandler in Zusammenarbeit mit David Gordon und Michael Lebeau,2 dann seit Ende der 1990er Jahr Dilts und Steve Andreas mit weiteren Veröffentlichungen. Die Auseinandersetzung bezog sich auf Grinders Darstellung seines Vorgehens, den Einschränkungen der Themen des Modelings auf Experten-Fähigkeiten und seine Kritik von zahlreichen Modelings von Robert Dilts, insbesondere die von bereits Verstorbenen wie Einstein, Leonardo da Vinci oder auch Jesus, als „Analytical Modeling“. Dilts stimmte zwar Grinders 2005 veröffentlichtem Unterscheidungsvorschlag zu,3 doch äußerte hierauf in den USA vor allem Steve Andreas methodische Bedenken.4 In Europa bezogen vor allem Lucas Derks5 und Wolfgang Walker6 kritisch Stellung. Hier wurde vor allem die Ausrichtung auf das Experten-Modeling7 als zu einseitig empfunden. Derks verwies auf die grundsätzliche Bedeutung, die ein Population-Modeling für das Verständnis, wie Menschen denken, haben kann, und Walker plädierte aus therapeutischer Sicht für ein Symptom-Modeling. Eine grundsätzliche Klärung oder zumindest allgemeinere Übereinkunft ob und wie unter welchen Umständen was am effektivsten gemodelt werden kann und wie dieses am zielführendsten zu lehren ist, erfolgte nicht, auch wenn es hierzu im kleineren oder größeren Rahmen, wie etwa von Bernd Isert in seinem Sommercamp, immer wieder Experimente gab.
Dementsprechend groß war die Spannung, mit der die diesjährigen Future Tools des DVNLP erwartet wurden, die dieses Mal Modeling zum Gegenstand hatten und wie gewohnt am Dienstag und Mittwoch nach Pfingsten (17.-18.05.2016) in Göttingen stattfanden. Mit 108 Teilnehmern erreichte die Veranstaltungsreihe ihre bisher höchste Zahl in ihrer elfjährigen Geschichte. Große Erwartungen galten dabei auch dem eingeladenen Gasttrainer – und dieses nicht nur, weil er als Master Modeler firmiert.
Wyatt Woodsmall eilt der Ruf als Master Trainer und Master Modeler voraus. Doch wer ist das überhaupt? Woher stammen die Titel? Und was ist sein Standpunkt? Wer sich auf die Suche begibt, wird zunächst feststellen, dass es weder einen deutsch- noch einen englisch- sprachigen Wikipedia-Eintrag zu ihm gibt.8 Wyatt Woodsmall. Seine ursprüngliche Homepage wurde, wie er erklärte, wiederholt gehakt und zeigt zur Zeit nur einen seiner früheren Buchtitel.9 Das deutschsprachige Trainerprofil bei der INLPTA besteht nur aus wenigen Zeilen10 und verweist auf das umfangreichere in englischer Sprache.11 Hier erhält man einen ersten umfassenderen Überblick. Weitere Informationsquellen sind vor allem eine Reihe von Youtube-Videos und eine neue, zusammen mit und von seiner Frau betriebene Website.12 Es bedarf also einiger Recherche, um sich ein detailliertes Bild zu machen, so dass im Folgenden zunächst eine eingehendere Darstellung seiner Person und Tätigkeitsfelder erfolgt.
Dr. Wyatt Woodsmall (* 1943)13 zählt zu den kenntnisreichsten und erfahrensten NLP- Trainern und Trainern weltweit. Richard Bandler soll über ihn gesagt haben: ‚Es gibt Niemanden, der mehr über NLP weiß als Wyatt Woodsmall, und er ist einer der wenigen im heutigen NLP, der tatsächlich Modelings durchführt und die Grenzen seiner Anwendung erweitert.‘ (“There is no one who knows more about NLP than Wyatt Woodsmall, and he is one of the few people in NLP today who are actually doing modelling and extending the limits of its applications.”)14 Und Joe Polish nannte ihn bei den Genius Network Interviews eine ‚Enzyklopädie nützlichen Wissens‘ („an encyclopedia of useful knowledge“).15 Wyatt studierte nacheinander und jeweils mit Abschluss Physik (Bachelor), Theologie (Master) und Philosophie (Master und Promotion). Er verbindet wie kaum ein anderer naturwissenschaftliches mit geisteswissenschaftlichem und spirituellem Denken.16 Klarheit, Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit führten ihn zur Wissenschaftsphilosophie, zur Methodologie und zum Modeling.17
Inneres Wachstum und anderen bei ihrer Entwicklung zu helfen, waren ihm von Anbeginn ein Anliegen. So begeisterte ihn, nachdem er seine Studien an der renommierten Columbia University, einer Art Harvard von New York, abgeschlossen hatte, was er über diesen damals neuen Ansatz des NLP las so sehr, dass er schließlich einen 24-tägigen Practitioner bei Anne Linden und Frank Staas in New York buchte.18 Anne war Ende der Siebziger zur NLP-Gruppe in Santa Cruz gestoßen und hatte Leslie Cameron beim Erstellen des ersten NLP Curriculums geholfen.19 Die ersten und die letzten beiden Tage ihres Practitioner-Seminars führte John Grinder durch, der zu dieser Zeit auch mehrtägige Modeling-Seminare veranstaltete. Damit sprang ein weiterer Funke auf Wyatt über und er besuchte dieses Seminar noch vor dem Master. Eine Trainer-Ausbildung gab es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Wyatt: „Wer selbst NLP unterrichten wollte, musste einige Jahre Sklavenarbeit verrichten, dann wurde er, wenn er Glück hatte, vom Assistenten zum Asscociate Trainer eines Institutes befördert, über das ausschließlich die Zertifizierungen erfolgten. Wie aber trainiert wurde, wurde nicht gelehrt. Am Anfang wurden Practitioner unterrichtet und als man mehr Material hatte auch Master Practitioner. Das war‘s. Ich war ein Gegner der „Sklaven-Dienste“ und fand, dass es auch beim Unterrichtsdesign und Unterrichten einiges zu lernen gab, und so führte ich schließlich 1986 zusammen mit Richard Bandler das erste Trainer-Training durch. Zu Beginn des zweiten Seminars ernannte er mich zum Master Trainer, dem ersten überhaupt. Wir führten insgesamt fünf, sechs Trainer-Ausbildungen durch. Ich beendete die Zusammenarbeit, als er im Seminar kokste.“20 Früh, noch zur Zeit des großen Hypes, setzte er sich für internationale Standards im NLP ein und gründete 1993 mit Bert Feustel und Marvin Oka die International NLP Trainers Association (INLPTA). Seinen Ansatz bezeichnet er als „Scientific NLP“ (‚Wissenschaftliches NLP‘). Es hat den Anspruch nicht nur zu behaupten und zu demonstrieren, dass es wirkt, sondern auch das „Warum“ aufzuzeigen. Hierzu fordert er mindestens 18-tägige Ausbildungen. Kürzere bezeichnet er als „Baby“ oder „Kindergarden NLP“. Grundlegend von seinen zahlreichen Büchern und Aufsätzen21 wurde im NLP-Bereich vor allem die zusammen mit Tad James verfasste Studie zur Timeline,22 die an frühere Überlegungen von Richard Bandler, Leslie Cameron und Steve und Connirae Andreas anknüpfte.23
Sein tatsächliches Arbeits-, Forschungs- und Wirkungsspektrum ist jedoch um vieles weiter. Zu Forschungsprojekten der US-Steitkräfte holte er zunächst John Grinder, dann Richard Bandler hinzu, später ebenso Tony Robbins, für den er in seiner Frühzeit eine Art Mentor war und der ihm in „Unlimited Power“ als Einzigem neben dem Management-Trainer und Führungsexperten Ken Blanchard eine Danksagung widmete.24
Wyatt Woodsmall entwickelte seinen eigenen Modeling-Ansatz, das Advanced Behavioral Modeling (ABM – Trademark), als Technik um hervorragende Leistungen erfassen und übertragen zu können. Hierzu verband er NLP-Vorgehensweisen mit Ideen von Künstlicher Intelligenz, kybernetischer Erkenntnislehre, Systemwissenschaften, Werteforschung, Persönlichkeitsanalysen, Lerntechniken des Accelerated Learning und kognitiver Psychologie.
Die Wirksamkeit des Ansatzes demonstrierte er bei Aufträgen für staatliche Behörden ebenso wie bei Großunternehmen oder Olympia-Teams in unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen. So erhielt er in den USA zum Beispiel Modeling-Aufträge von Bundesbehörden zum Verständnis des Morse-Alphabets, zu Rekrutierungsverfahren, zur Handhabung von Hoovercrafts, zur Scharfschützenausbildung mit Handfeuerwaffen und mit Gewehr, zur Verwaltung von Computer-Systemen, zum Wissensmanagement und zur Kreativität. In der Privatwirtschaft arbeitet er für Klein- und Mittelständische Unternehmen ebenso wie für Polaroid oder General Motors. In England modelte er einerseits den erfolgreichsten Vertriebler aller Zeiten mit einem Jahresumsatz von 165 Millionen. Andererseits führte er zusammen mit seiner Frau in Yorkshire ein Modeling-Projekt mit 50 erfolgreichen Start-up-Unternehmern durch und entwickelte so den En(tre)Code für erfolgreiches Unternehmertum. Daneben suchten auch Athleten und Trainer seinen Rat. So betreute er unter anderem von 1994 bis 2006 die US-Nationalmannschaft im Wasserspringen, die in dieser Zeit bei Olympiaden 6 unerwartete Medaillen gewann.25
Einen besonderen Anteil nimmt Wyatt Woodsmall an Erziehungsfragen. So kritisierte er auf einer TED x-Konferenz heftig das amerikanische Erziehungssystem als „Dis- Education“ und die amerikanische Schule als „Mind Prison“, einem Gefängnis für den Geist der Kinder, in dem diese sinnlos Fakten lernen, die sie gleich wieder vergessen, statt das, worauf es in unserer Gegenwart besonders ankommt: zu lernen, wie man lernt und wie man Emotionale Intelligenz entwickelt und gut mit anderen Menschen auskommt.26 Er selbst untersuchte und modelierte über fünf Jahre hin Michel Thomas, den berühmtesten Sprachlehrer von Hollywood und Beverly Hills, der vielen Berühmtheiten in drei bis fünf Tagen konversationsfähige Sprachkenntnisse beibrachte.27 Veränderungsmöglichkeiten im Schulsystem erhofft Woodsmall aber nicht von staatlicher Seite, da hier der Widerstand der Lehrerverbände zu groß sei. Immerhin macht er den Lehrer für das Lernen oder Nicht-Lernen des Schülers verantwortlich. Die notwendigen Veränderungsimpulse können seiner Ansicht nach nur vom Unternehmertum ausgehen.28
V.l.n.r.: Sebastian Mauritz (Vorstand Öffentlichkeitsarbeit), Jens Tomas (Vorsitzender), Wyatt Woodsmall und Ludger Brüning bei der Eröffnung der Future Tools XI am 17. Mai 2016. Foto: B. Hendriks.
Wyatt Woodsmall kann sehr ausgesprochen sein. Er scheut sich nicht polarisierende Positionen zu beziehen und kann auch energetisierend wirken, wie Youtube-Beiträge zeigen. Er hat in 30 Ländern und auf allen fünf Kontinenten Seminare und Workshops gehalten, in den letzten Jahren zunehmend im arabischen Raum. Vor Göttingen war er in Kairo, wo er gerade ein Seminar gegeben hatte - und wirkte müde, für manche auch älter als er ist, wozu auch sein weißer Vollbart, den er inzwischen trägt, beigetragen haben mag. Normalerweise führt er 9-tägige Modeling-Seminare durch. In den zwei Tagen der Future Tools versuchte er in Form einer Vorlesung einen Überblick über Modeling-Ansätze und was seiner Ansicht nach dabei zu berücksichtigen ist, zu geben. Er referierte mit ausgefeiltem Vokabular und präzisen Definitionen die vielschichtigen Aspekte von Modeling, unterschiedliche Vorgehensweisen, ihre Vor- und Nachteile, immer wieder zu Grundaussagen zurückkehrend und diese vor allem anhand von zwei Erfahrungsberichten erläuternd: dem zusammen mit Tony Robbins die Ausbildungszeit von vier auf zwei Tage reduzierte, den Munitionsverbrauch reduzierte und die Schießergebnisse verbesserte, und seine Arbeit mit dem US Olympia-Team im Wasserspringen. Am zweiten Tag gab es je eine Einstiegsübung zum „inside“ und zum „outside modeling“.
Woodsmalls sieht in der Entwicklung des Modelings im NLP drei Ansätze, die zugleich Hauptaspekte umschreiben. Ein Modeling von äußerem Verhalten, das seiner Ansicht nach besonders John Grinder vertritt, ein Modeling innerer Zustände, von Gefühlen und affektiven Werten, was auf Leslie Cameron-Bandler zurückgeht, und ein Modeling interner Prozesse, von Denken und kognitiven Glaubenssätzen für das Robert Dilts stehe. Überträgt man diese Trias aus Körper(verhalten), Herz und Kopf auf Kreis- Segmente, so ergibt sich graphisch eine Sternform, die Woodsmall den „Mercedes des NLP“ nennt. Entsprechend seiner naturwissenschaftlich-spirituell- geisteswissenschaftlichen Wurzeln vertritt er einen ganzheitlichen Ansatz, den er deutlich von Grinders und insbesondere von Dilts‘ abgrenzt, dessen Format der logische Ebenen er gleichfalls ablehnt. Für Woodsmall ist Modeling ein strukturiertes, systematisches Vorgehen, das sämtliche Handlungsdimensionen möglichst detailliert zu erfassen sucht. Man könnte auch sagen, der Modeler ist für ihn ein Entwicklungsingenieur mit Fokus auf das Innnenleben.
Grinders Ansatz, sich frei von Vorannahmen in die zu modelnde Person hineinzuversetzen, bezeichnet er als „inside modeling“. Dieser Ansatz könne effektiv sein, wenn es darum gehe, ein Verhalten möglichst identisch zu imitieren. Eine Einstiegsübung für Dreier-Gruppen kann etwa sein, den Gang einer Person zu imitieren. Nach Woodsmall gelangt das kopierte Verhalten an seine Grenzen, wenn etwas Ungewohntes geschieht, da bei diesem Modeling Kreativität und Flexibilität nicht gelernt werden. Bert Feustel erinnerte an einen Engländer, dessen Beispiel vor einigen Jahren durch die Presse ging und der irrigerweise glaubte, durch ein gänzliches Imitieren des äußeren Verhaltens von David Beckham, seines Tagesrhythmus‘, seiner Kleidung, seines Essens, seines Ganges und so weiter ähnliche fußballerische Qualitäten entwickeln zu können.
Auf die Arbeit mit Gefühlen im Sinne eines Modeling innerer Zustände ging Woodsmall nur in einigen Hinweisen ein. Durch das exakte Nachbilden von Körperhaltungen können ähnliche Gefühle erzeugt werden, wie die Sculpting-Arbeit von Virginia Satir gezeigt hat. Doch kann ein tieferes Sich-Einleben in die Gefühle eines anderen auch Scharfschützen-Training im Pistole-Schießen bei der US Armee, wo er zusammen mit Tony Robbins die Ausbildungszeit von vier auf zwei Tage reduzierte, den Munitionsverbrauch reduzierte und die Schießergebnisse verbesserte, und seine Arbeit mit dem US Olympia-Team im Wasserspringen. Am zweiten Tag gab es je eine Einstiegsübung zum „inside“ und zum „outside modeling“.
Woodsmalls sieht in der Entwicklung des Modelings im NLP drei Ansätze, die zugleich Hauptaspekte umschreiben. Ein Modeling von äußerem Verhalten, das seiner Ansicht nach besonders John Grinder vertritt, ein Modeling innerer Zustände, von Gefühlen und affektiven Werten, was auf Leslie Cameron-Bandler zurückgeht, und ein Modeling interner Prozesse, von Denken und kognitiven Glaubenssätzen für das Robert Dilts stehe. Überträgt man diese Trias aus Körper(verhalten), Herz und Kopf auf Kreis- Segmente, so ergibt sich graphisch eine Sternform, die Woodsmall den „Mercedes des NLP“ nennt. Entsprechend seiner naturwissenschaftlich-spirituell- geisteswissenschaftlichen Wurzeln vertritt er einen ganzheitlichen Ansatz, den er deutlich von Grinders und insbesondere von Dilts‘ abgrenzt, dessen Format der logische Ebenen er gleichfalls ablehnt. Für Woodsmall ist Modeling ein strukturiertes, systematisches Vorgehen, das sämtliche Handlungsdimensionen möglichst detailliert zu erfassen sucht. Man könnte auch sagen, der Modeler ist für ihn ein Entwicklungsingenieur mit Fokus auf das Innnenleben.
Grinders Ansatz, sich frei von Vorannahmen in die zu modelnde Person hineinzuversetzen, bezeichnet er als „inside modeling“. Dieser Ansatz könne effektiv sein, wenn es darum gehe, ein Verhalten möglichst identisch zu imitieren. Eine Einstiegsübung für Dreier-Gruppen kann etwa sein, den Gang einer Person zu imitieren. Nach Woodsmall gelangt das kopierte Verhalten an seine Grenzen, wenn etwas Ungewohntes geschieht, da bei diesem Modeling Kreativität und Flexibilität nicht gelernt werden. Bert Feustel erinnerte an einen Engländer, dessen Beispiel vor einigen Jahren durch die Presse ging und der irrigerweise glaubte, durch ein gänzliches Imitieren des äußeren Verhaltens von David Beckham, seines Tagesrhythmus‘, seiner Kleidung, seines Essens, seines Ganges und so weiter ähnliche fußballerische Qualitäten entwickeln zu können.
Auf die Arbeit mit Gefühlen im Sinne eines Modeling innerer Zustände ging Woodsmall nur in einigen Hinweisen ein. Durch das exakte Nachbilden von Körperhaltungen können ähnliche Gefühle erzeugt werden, wie die Sculpting-Arbeit von Virginia Satir gezeigt hat. Doch kann ein tieferes Sich-Einleben in die Gefühle eines anderen auch zu Gefahren führen, wie Woodsmall betonte. So besteht der Verdacht, dass die naturalistischen Inszeniergungsversuche29 des russischen Theater-Regisseurs Konstantin Stanislawski, bei denen Schauspieler sich über Monate in Rollen einlebten, die sie dann nochmals über Monate aufführten, den Ausbruch psychischer Störungen begünstigt hat. Stanislawski habe deshalb neutrale Zwischenzonen empfohlen.
Woodsmall unterstrich die Bedeutung, die Werten und Glaubenssätzen zukommt, sowohl für das Verhalten der zu modelnden Person als auch für den späteren Transfer. Es kann wichtig sein, die Werte zu verstehen, die jemand lebt. Diese unterscheiden sich in der Regel, von denen, die er glaubt zu leben. Eine einfache Übung, um den Unterschied zwischen dem kognitiv Konstruierten und dem Gelebten zu ermitteln, ist, die Person die gemodelt werden soll, zu bitten, eine Liste der Werte aufschreiben zu lassen, die sie zu haben glaubt, und dann eine zweite Liste mit drei Spalten zu erstellen: wieviel Zeit, wieviel Energie, wieviel Finanzen verwendest Du wofür. Dies zeigt dann die tatsächlich gelebten Werte.
Ebenso kann im Modeling der Arbeit mit stärkenden und schwächenden Glaubenssätzen (enabling and disabling beliefs) eine wichtige Rolle zukommen, doch bezweifelt Woodsmall die Tragfähigkeit von Modelings von Denkprozessen wie sie Robert Dilts bei seinen Untersuchungen zu Genies, wie etwa Albert Einstein, durchgeführt habe. Bei Einstein habe dieser auf eine äußerst dünne Datenbasis, den Eintrag in der Encyclopedia Britannica, zurückgegriffen. Umgekehrt arbeite Grinder nicht mit inneren Zuständen und inneren Prozessen, da er diese als Inhalt (content) betrachte. Für Woodsmall spielt die Arbeit mit inneren Prozessen dagegen eine wichtige Rolle, um optimales, kreatives und flexibles Verhalten entwickeln zu können. Da bei diesem Modeling-Ansatz ein Einfühlen nicht erforderlich ist, bezeichnet er es als „outside modeling“. Eine einfache Einstiegsübung zur Strategiearbeit wäre etwa der Versuch im Rahmen einer Dreier-Gruppe bei Person A das Schreiben des eigenen Namens von der Schreibhand auf die andere zu übertragen. Wie würde man vorgehen? Wie klein die Schritte wählen? Erst Auf- und Längsstriche üben oder erst versuchen in Spiegelschrift zu schreiben oder ganz anders vorgehen?
Woodsmall teilt nicht die NLP-Grundannahme, dass jeder Mensch alles lernen könne - auch dann nicht, wenn die Lernschritte klein genug sind. Dazu müssen seiner Ansicht nach innere Voraussetzungen wie Talent, Fähigkeiten, Vorkenntnisse und ein entsprechendes Wertesystem sowie spezifische äußere Rahmenbedingungen gegeben sein. Ein Experte im falschen Umfeld wird wenig verrichten und jemand ohne die geeigneten Voraussetzungen im richtigen Umfeld wenig erreichen. Dabei kann eine Schwäche in einem Gebiet durchaus eine Stärke in einem anderen Kontext sein und auch Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen können erstaunliche kompensatorische Fähigkeiten entwickeln, wie etwa Blinde im auditiven Bereich, wo sie Nicht-Behinderte bisweilen weit übertreffen. Relevant fürs Modeling ist, ob die besondere Fähigkeit, die ein Mensch zeigt, an seine einzigartige Person gebunden oder in ihrer Form übertragbar ist.
Modeling ist für Woodsmall ein strukturierter, systematischer Vorgang, der mit der Bestimmung eines wohlgeformten Ziels beginnt, da nur im Hinblick darauf eine Auswahl von Experten und Vorgehen möglich ist. Erst durch ein Erkenntnisziel werden aus Daten Informationen, deren Zusammenschau Verständnis (understanding) ermöglicht. Und nur durch unterschiedliche Wahrnehmungen und Beschreibungen entsteht Weisheit (wisdom) als komplexes Verständnis.
Nachdem bestimmt wurde, was das Ergebnis sein soll, wird das Verhalten, das hierzu übertragen werden soll, in wahrnehmbare Einzelschritte zerlegt. Diese werden einzeln untersucht, danach die Ergebnisse wieder zusammengeführt, ihr Ablauf und ihre Priorität bestimmt, da die unterschiedlichen Teilschritte einen unterschiedlichen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben können.
Woodsmall empfiehlt die Auswahl von drei bis fünf Experten und eine Kontrastgruppe mit alltäglichen Fähigkeiten, so dass einerseits die besonderen Fähigkeiten sichtbar und dann die persönlichen, aber nicht tragenden Fähigkeiten und Verhaltensweisen (idiosyncratic components) ausgesondert werden können. Es werden zunächst „Kontrastpersonen“ analysiert, dann die Experten, um schneller den Unterschied, der den Unterschied macht, erfassen zu können. Das setzt besonders beim ersten Experten eine sehr umfassende Dokumentation seines Verhaltens voraus, da zu dem Zeitpunkt noch nicht klar ist, worin das Besondere seines Vorgehens besteht. Nach der 20/80-Regel des Pareto-Prinzips ist dabei zugleich davon auszugehen, dass der geringere Teil des Verhaltens das eigentliche Expertentum ausmacht. Dies lässt sich im Vergleich mit weiteren Experten herausfiltern.
Durch Zusammenarbeit in einem Beobachtungsteam lässt sich dabei die Gefahr von Verzerrungen durch die eigenen Wahrnehmungsfilter eingrenzen. So arbeitet Wyatt stets mit seiner Frau Maryline und nach Möglichkeit einer weiteren Person zusammen. Wichtig ist dabei, dass ein direkter und ungestörter Zugang zum Experten möglich ist, dass man ihn nicht nur befragen, sondern direkt bei der Ausübung beobachten kann, um Wahrnehmungsverzerrungen durch dessen eigene Filter zu vermeiden. Und nicht zuletzt ist sicherzustellen, dass er zum Zeitpunkt der Ausübung und Beobachtung tatsächlich im Experten-Zustand ist und optimal agiert, dass der Vorgang für wiederholte spätere Analysen per Videoaufzeichnung dokumentiert wird und dass der Experte zu seinem eigenen Vorgehen und Verhalten, seinen Werten und Glaubenssätzen interviewt werden kann.
Weitere Messungen oder Abklärungen in physikalischer, sensorischer und mentaler Hinsicht können erforderlich sein. So stellte man bei der Scharfschützenausbildung fest, dass die besten Schützen zwischen den Pulsschlägen schossen. Der
amerikanische Olympia-Sieger im Wasserspringen, Greg Louganis, konnte die Sprenkler, die in den Sprungbeckenecken eingesetzt werden, um die Oberflächenspannung des Wassers zu reduzieren, so genau hören, dass er in einem sekundenschnellen Sprung wusste, wie weit es noch zum Eintauchen war. In anderen Fällen mag es sein, dass jemand Spitzenleistungen aufgrund besonderer Werthaltungen vollbringt, die man nicht übertragen möchte, während umgekehrt auch die stärkenden und schwächenden Glaubenssätze zu ermitteln sind.
Für Woodsmall ist nicht nur die Auswahl von mehreren Experten, das detaillierte, komplexe und ganzheitliche Analysieren und erneute stringente Zusammenführen der Verhaltensstrategie, sondern auch die Auswahl der Personen (pre-selection), auf die die besondere Fähigkeit übertragen werden soll, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Er vertritt also abweichend vom landläufigen State-Ansatz im NLP einen Trait-Ansatz und tritt für Persönlichkeitsdiagnostik ein, wobei er entsprechend seiner Wisdom-Definition Mehrfach-Diagnosen beziehungsweise -beschreibungen befürwortet. Dieses Erkenntnisverfahren lässt sich über Grinders Triple Description bis auf Batesons Double Description zurückverfolgen. Woodsmall plädiert hierbei neben der Berücksichtigung äußerer, sensorischer und kognitiver Fähigkeiten, der Repräsentationssysteme und der Meta-Programme unter anderem auch für Myers- Briggs Typenindikator (MBTI), einem in der US-Wirtschaft weit verbreiteten Testverfahren, und für einen Enneagramm-Test.
Beim Übertragen der gewünschten Fähigkeiten auf geeignete Personen hat sich nach seiner Erfahrung das kleinschrittige, kontrollierte Einüben von Personen ohne weitergehende Vorerfahrungen bewährt. Solange die Personen durchgehend fast nur erfolgreiche Schritte und positive Erfahrungen machen und bei Abweichungen sofort korrigiert werden, lernen sie am schnellsten. Menschen, die bereits Vorerfahrungen haben oder die außerhalb des Trainings eigenständig üben, haben bereits oder gewöhnen sich leicht an abweichende Verhaltensmuster, die, wenn überhaupt, um ein vielfaches schwerer abzugewöhnen und zu korrigieren sind.
Den Abschluss jedes Modelings stellt für ihn die Auswahl und Ausbildung geeigneter Trainer dar, die die weitere Umsetzung begleiten und ihm selbst den Freiraum für neue Projekte geben.
Woodmalls Vortrag traf in Abhängigkeit von Vorkenntnissen, Positionen und Erwartungen auf eine geteilte Zustimmung. Lediglich zwei einfache Übungen am zweiten Tag stellten nicht alle zufrieden und die wiederholt ausgesprochene Kritik an Grundannahmen und Hauptvertretern der Community gingen zu Lasten des Rapports. Wer eine erste Orientierung suchte, vielschichtige Betrachtungen und klare ineinandergreifende Definitionen, kam hingegen auf seine Kosten. Vor dem Hintergrund stark vereinfachender und vereinseitigender Skizzierungen der Vorgehensweisen sowohl von Grinder30 als auch von Dilts konturierte Woodsmall seinen eigenen pragmatischen Ansatz. Dies kann als Abgrenzung, Grenzüberschreitung, Selbst-Positionierung oder Polemik gesehen werden. Gerade dadurch eignet es sich aber auch als Impuls für eine neue oder vertiefte Beschäftigung mit dem Thema. Von einer kontroversen Diskussion kann das NLP nur profitieren.
Vielleicht geht es dabei weniger um die Ausschließlichkeit eines Entweder-Oder als um die Kontextualität eines Sowohl-als-Auch. Je nach Rahmen könnten so die Ansätze und Erkenntnisinteressen von Grinder, Dilts, Derks, Walker oder Woodsmall nebeneinander statt gegen einander stehen. Ein Symptom-Modeling ist vielleicht nicht der nahe liegendste Lösungsschritt, aber für Fachkreise vielleicht ein hilfreicher Beitrag zum Verständnis spezifischer Störungen. Ähnlich könnte ein Population-Modeling eine breitere Verständnis-Basis überhaupt schaffen. Ein Analytical-Modeling mag zum Teil unbefriedigend bleiben, wenn die gemodelten Personen nicht mehr selbst erlebt, beobachtet und befragt werden können und die Quellenlage durch die Zufälle historischer Überlieferung geprägt ist. Es mag aber auch Hinweise und Inspiration für weitergehende Überlegungen und Untersuchungen geben. Und nicht zuletzt ist auch Grinders Ansatz einer intendierten, möglichst weitgehenden, sich unwissend gebenden Offenheit zu bedenken.31 Bernd Isert schrieb einmal zum Modeling: „Wir können uns Modelle bilden, indem wir den Menschen an ein Raster anlegen, ein Formular ausfüllen, sie an einer Vergleichsstruktur messen. NLP bietet mittlerweile verschiedenste Strukturen hierfür an – wo aber liegt deren Quelle? Wenn wir ganz unwissend und neugierig die Gedanken und Erlebnisweise eines Menschen nachvollziehen, entdecken wir vielleicht Muster und Welten, die in kein bekanntes Raster passen, die selbst ein neues Modell darstellen, das wir beschreiben und weitergeben können, allen, die es ausprobieren möchten. Dies ist der Schöpfungsakt, aus dem NLP hervorgegangen ist. Es kommt aber nicht darauf an, von ihm zu leben, sondern neu zu schöpfen – manchmal auch so, als hätte es NLP nie gegeben.“32
Dr. Ludger Brüning arbeitet seit 1987 in der Erwachsenenbildung und seit 2002 als Trainer und Coach auf Deutsch und Englisch. Auf den Future Tools in Göttingen übersetzte er Dr. Wyatt Woodsmall. Dr. Brüning absolvierte verschiedene Trainer- und Coaching-Ausbildungen und ist
unter anderem NLP-Lehrtrainer und Master Coach (DVNLP), Lehrcoach/Lehrtrainer (ECA) und Certified Business Trainer/Certified Business Coach. Er vertritt den DVNLP in der EANLP und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von DVNLP, EANLP und ECA. Eine Auswahl seiner Artikel findet sich in brainguide.de. Kontakt unter info@bruening-training.de.